Tatsachenbericht einer Flucht
von Paul Olden (Otto Pauli)
Nicht allen gelingt es eine geplante Flucht aus einem Gefangenenlager auch bis zum Gelingen auszuführen. Zu viele Hindernisse gilt es zu überwinden und der Zufall macht oft die bestvorbereiteste Flucht zunichte. Es gehört nicht nur Mut und Ausdauer, sondern eine große Menge Glück dazu. Meist schlägt ein solches Unternehmen beim ersten Versuch fehl. Aber ich glaube, gerade bei einer Flucht ist das deutsche Sprichwort “Übung macht den Meister”, am besten am Platze. Es hat sich in der Praxis erwiesen, daß ein Gefangener, der schon einmal das Wagnis einer Flucht auf sich nahm und dabei wieder erwischt wurde, immer von neuem sein Glück versucht. Um so mehr ist diese Tatsache zu würdigen, da bei den Oststaaten einen zurückgebrachten Flüchtling meist schwerere Strafen erwarten, als nach den internationalen Bestimmungen verhängt werden dürfen.
Der Grund zu einem solchen Unternehmen liegt meist nicht an den untragbaren Lebensverhältnissen eines Lagers, sondern an der seelischen Depression und an dem heißen Wunsch nach der Heimat.
Ich möchte Sie mit meinen Aufzeichnungen kurz in ein solches Lagerleben führen und Ihnen dann die Flucht selbst, mit all den Vorbereitungen und den Gefahren der Ausführung schildern. Ich hoffe, daß ich es mit meinen einfachen Worten vermag.
Ich habe dabei absichtlich vermieden, die Schrecknisse und Entbehrungen einer Gefangenschaft aufzuzeichnen. Genügend Schriften bringen in Tatsachenberichten, aber auch oft in sensationellen, aufgebauschten Schilderungen Todes-, Greuel- und Brutalitätsgeschichten. Ich möchte dagegen meinen verehrten Lesern lieber einen unterhaltenden, mit leichtem Humor gewürzten Bericht bringen, den sie immer in angenehmer Erinnerung behalten mögen.
Gleichzeitig soll aber an all´ die namenlosen Gefangenen erinnert werden, die noch heute das Los der Gefangenschaft tragen müssen.
Ihre baldige Rückkehr in die geliebte Heimat ist unser innigster Wunsch.
L., im September 1949
Paul Olden