Text zu „Im langen Gang“

Allzu lange dauerte das Warten nicht. Wir vernehmen über uns ein lautes Getrampel und schließen daraus, daß sich die Leute zum Abmarsch sammeln. Wenige Minuten schon darauf hören wir undeutlich  das Wort “Malarz”. Also merken Sie, daß wir nicht da sind. Wir warten gespannt, aber es ist wieder ruhiger geworden. Sicher ist dies die Ruhe vor dem Sturm.

Eine Viertelstunde mag vergangen sein, da hören wir wieder Lärm. Diesmal muß dieser Lärm von genagelten Schuhen herrühren. Also suchen uns die Posten bereits. Schüsse haben wir nicht vernommen. Die denken sich logischerweise, daß wir uns irgendwo versteckt halten, denn am hellen Tage wäre es Wahnsinn abzuhauen. Das Getrample kommt näher. Der obere Kellerraum wird schon systematisch abgesucht. Wir hören Türen gehen: auf .. zu, auf  .. zu, und jetzt müssen sie oben im Kohlenraum sein, denn durch die Ritzen der kleinen Eisentüre sehe ich schwach einen Lichtschein. Ich höre wie die Kohlen umgewühlt werden. Aber es dauert nicht lange, dann verlischt das Licht wieder. Wir sitzen wie gebannt und getrauen uns kaum zu atmen. Jetzt wird es sich zeigen, ob unser Versteck die Feuerprobe übersteht. Wenn sie uns kriegen machen sie bestimmt Hackfleich aus uns.

Das Schimpfen der Posten dringt immer näher. Die Worte lassen nichts Gutes erwarten: skurwisin, colera und zahlreiche andere nette Ausdrücke dringen halblaut zu uns.

Doch jetzt kommt die Entscheidung… die Suchkolonne kommt über die letzte Treppe herunter und gleich müssen sie an unserem Einstiegsloch sein. Ob sie vorbeigehen werden? Wir horchen gespannt. Schlüfende Schritte, – und jetzt bleibt die Kolonne vor unserem Loch stehen. Ob es gerade vor unserem Loch ist? Doch ja, denn plötzlich vernehmen wir einen kleinen hellen Laut, als ob etwas zu Boden gefallen wäre und zwischendurch dringt ganz deutlich ein Fluchen zu uns herauf.

Und noch immer gehen sie nicht weiter. Und sie müssen direkt bei dem Einstieg stehen. Wir halten den Atem an.

Da blitzt eine Taschenlampe auf, der Strahl ergießt sich in unseren Kanal. Ich weiß nicht, sind es Sekunden, Minuten oder Stunden … ich denke blitzartig — wenn sie schießen sollten, dann gibt es unangenehme Querschläger und unbewußt ducke ich mich noch mehr zusammen.

 

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